Die Geschichte des Schweizer Zivilschutzes
Erfahrungen aus zwei Weltkriegen
Die beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderten die zeitgenössische Bedrohungswahrnehmung radikal. Insbesondere der Zweite Weltkrieg wurde von beiden Seiten als totaler Krieg geführt, also bewusst und gezielt auch gegen die Bevölkerung des Gegners. Der Einsatz der Atombombe machte das immense Zerstörungspotenzial der modernen Kriegstechnologie auf erschreckende Weise sichtbar. Aufgrund dieser neuen Bedrohungen rückte in den 1950er-Jahren die Frage des Schutzes der Bevölkerung in einem möglichen Krieg in der Schweiz auf der politischen Agenda weit nach oben. Es bestand ein starker politischer Wille, die Bevölkerung vor den Folgen eines weiteren Krieges umfassend zu schützen. 1959 wurde in einer Volksabstimmung ein Zivilschutzartikel in der Bundesverfassung angenommen. Das Bundesgesetz über den Zivilschutz vom 1. Januar 1963 markiert den eigentlichen Beginn des modernen Schweizer Zivilschutzes.
Ab 1960er-Jahre: Aufbauphase im Kalten Krieg
Die darauf folgende Aufbauphase stand ganz im Zeichen des sich zuspitzenden Kalten Krieges: Akute Spannungssituationen wie der Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961, die Kubakrise von 1962 oder die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 wurden auch im neutralen Kleinstaat als grosse Bedrohung für den Frieden und die eigene Sicherheit erlebt. Die nukleare Aufrüstung der Weltmächte USA und Sowjetunion verstärkte die Bedrohungserfahrung. Als Antwort auf diese Situation entwickelte die Schweiz ein visionäres und weltweit einzigartiges Konzept: Die flächendeckende Realisierung von robusten, einfachen und kostengünstigen Schutzräumen sollte es der Schweizer Bevölkerung ermöglichen, im Fall eines mit atomaren Waffen ausgetragenen Krieges in Europa unterirdisch zu überleben. Bis zum Ende des Kalten Krieges standen denn auch der Bau von Schutzräumen und die planerische und organisatorische Vorbereitung eines länger dauernden Aufenthaltes in den Schutzräumen ganz im Zentrum des Zivilschutzes.
Ab 1990er-Jahre: Ausrichtung auf Katastrophen und Notlagen
Seit den 1990er-Jahren hat der Zivilschutz eine tiefgreifende Reformentwicklung durchlaufen: Im Zentrum steht nicht mehr der Schutz gegen Kriegseinwirkungen, sondern der Schutz der Bevölkerung vor natur- und zivilisationsbedingten Katastrophen und anderen Notlagen. Mit dem 2004 in Kraft getretenen Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz ist der Zivilschutz als Partnerorganisation im Verbundsystem Bevölkerungsschutz integriert. Die Zuständigkeit und Verantwortung liegt grundsätzlich bei den Kantonen, der Bund legt jedoch gemeinsame Grundlagen fest. So ist insbesondere die Dienstpflicht weiterhin einheitlich auf nationaler Ebene geregelt.
Heute breites Aufgabenfeld
Heute hat der Zivilschutz ein breites Aufgabenfeld: Angehörige des Zivilschutzes sorgen für die Bereitstellung der erforderlichen Schutzinfrastruktur und der Mittel zur Alarmierung der Bevölkerung, sie unterstützen die Führungsorgane und die Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes, sie kümmern sich um die Betreuung schutzsuchender Personen wie auch um den Schutz von Kulturgütern, sie leisten Instandstellungsarbeiten nach Schadensereignissen und Einsätze zugunsten der Gemeinschaft. Damit leistet der Zivilschutz einen unverzichtbaren Beitrag zum Schutz der Bevölkerung und für die Sicherheit unseres Landes.
Dokumente
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„50 Jahre Schweizer Zivilschutz“ (Zeitschrift Bevölkerungsschutz, Nummer 16 / Juni 2013)
PDF, 36 Seiten, 1 MB, Deutsch