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"Ein Einsatz von neuer Dimension"

Am 30. Juni 2020 ist das vom Bundesrat bewilligte gesamtschweizerische Aufgebot des Zivilschutzes beendet worden. Im Interview zieht BABS-Vizedirektor Christoph Flury eine kurze Bilanz.

07.07.2020 | Kommunikation BABS

Vizedirektor Christoph Flury: "In diesem Umfang, über eine solch lange Zeit und in der ganzen Schweiz stand der Zivilschutz erstmals im Einsatz." (Fotos: VBS/DDPS, Alex Kühni)

Rund 24'000 Zivilschutzangehörige standen seit Februar im Corona-Einsatz und leis-teten gegen 300'000 Einsatztage. Wie kommentieren Sie diese eindrücklichen Zahlen?

Für den Zivilschutz war dies zweifellos ein Einsatz von neuer Dimension. Der Zivilschutz leistet zwar jedes Jahr meist regionale und zeitlich beschränkte Katastropheneinsätze. In diesem Umfang, über eine solch lange Zeit und in der ganzen Schweiz stand er aber erstmals im Einsatz. Das verdient uneingeschränkten Respekt und einen 24'000-fachen Dank an unsere Zivilschutzangehörigen!

Der Bundesrat hat ein gesamtschweizerisches Aufgebot des Zivilschutzes bewilligt. Was unterscheidet das Vorgehen von jenem beim Armeeaufgebot?

Der Zivilschutz ist primär ein Mittel der Kantone. Der Bundesrat hat aber die Möglichkeit, den Zivilschutz aufzubieten in einer ausserordentlichen Lage oder bei Ereignissen, die mehrere oder alle Kantone betreffen. Das war bei der Coronakrise der Fall, und der Bundesrat hat am 20. März erstmals davon Gebrauch gemacht. Obwohl der Bund damit bei Bedarf auch die Aufgebots- und Einsatzverantwortung hätte übernehmen können, beliess er diese bei den Kantonen. Das hat sich rückblickend als richtig und sinnvoll erwiesen, weil die Kantone unterschiedlich betroffen waren und so den Zivilschutz massgeschneidert und ressourcenschonend aufbieten und einsetzen konnten. Der Unterstützungsbedarf des Gesundheitswesens war beispielsweise in den stark von der Coronakrise betroffenen Westschweizer Kantonen und dem Tessin höher als in anderen Teilen unseres Landes.

Das BABS als Bundesstelle spielte trotzdem eine wichtige Rolle.

Die Aufgabe des BABS besteht insbesondere darin, vor und während einer Katastrophe oder Krise möglichst optimale Rahmenbedingungen und Grundlagen für den Einsatz des Zivilschutzes zu schaffen, zu koordinieren und die Kantone zu unterstützen. Beispielsweise bereiteten wir das Aufgebot des Bundesrates vor und leiteten die Lohnfortzahlungen ein, die die Zivilschutzangehörigen ab dem 20. Diensttag über die Erwerbsersatzordnung (EO) hinaus erhalten. Weiter ging es darum, gesamtschweizerische Regelungen für Dienstbefreiungen zu erarbeiten, damit systemrelevante Betriebe im Gesundheitswesen oder im Versorgungsbereich weiter funktionieren konnten, gleichzeitig dem Zivilschutz aber auch genügend und qualifizierte Personen für ihre Einsätze zur Verfügung standen.

"Die Aufgabe des BABS besteht insbesondere darin, vor und während einer Katastrophe oder Krise möglichst optimale Rahmenbedingungen und Grundlagen für den Einsatz des Zivilschutzes zu schaffen."

Sie waren auch vor Ort, in den Kantonen. Wie haben Sie den Einsatz erlebt?

Ich hatte in diesen drei Monaten mehrmals die Gelegenheit, mich mit Verantwortlichen und Zivilschutzangehörigen vor Ort auszutauschen. Es war überall höchst beeindruckend, mit welchem Engagement und welcher Motivation die Zivilschutzangehörigen – Kader und Mannschaft – an der Arbeit waren. Und mit welcher Professionalität sie teilweise neue und schwierige Herausforderungen meisterten.

In einem Waadtländer Alters- und Pflegeheim, in dem das COVID-Virus buchstäblich gewütet hat, traf ich auf vier Betreuer des Zivilschutzes, die bereits während Wochen im Einsatz standen. Trotz der sehr schwierigen Bedingungen und hohen persönlichen Belastungen unterstützten sie das Pflegepersonal tatkräftig – so gut, dass der Leiter der Institution sie gleich behalten wollte. In Solothurn baute der Zivilschutz innert kürzester Zeit ein Testcenter vor dem Bürgerspital auf und stellte über Wochen an den verschiedenen Eingängen – zu jeder Tages- und Nachtzeit – die Eingangskontrolle und Personentriage sicher. Die Direktorin des Spitals zeigte sich äusserst beeindruckt von der Flexibilität und Schnelligkeit des Zivilschutzes, den unbürokratischen Entscheidungswegen und den gut geführten, ausgebildeten und im Einsatz eingespielten Formationen. Zweifellos manifestierten sich hier die Stärken des Milizsystems und der regionalen Verankerung des Zivilschutzes.

Welches Bild des Zivilschutzes hat die Öffentlichkeit erhalten?

Bei regionalen Ereignissen wie Überschwemmungen, Stürmen oder Bergstürzen zollt die betroffene Bevölkerung dem Zivilschutz immer hohe Anerkennung für seine Unterstützung. Für den Einsatz während der Pandemie hat der Zivilschutz zum ersten Mal gesamtschweizerisch eine sehr gute Resonanz gefunden. Er hat bewiesen, dass er ein äusserst flexibles und leistungsfähiges Einsatzmittel ist.

"Die aktuelle Pandemie hat klar aufgezeigt, dass der Zivilschutz für die Bewältigung solcher Krisen ein unabdingbares Mittel ist, dessen personelle Alimentierung wir zwingend und nachhaltig sichern müssen."

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie aus dem Einsatz gekommen?

Die Verantwortlichen in allen Kantonen ziehen ein positives Fazit zum Einsatz des Zivilschutzes. Natürlich gab es – wie bei jeder Krise – gewisse Anlaufschwierigkeiten: So war es zu Beginn schwierig abzuschätzen, worauf man sich einzustellen hatte, welche Herausforderungen warteten. Für die regionalen und kantonalen Führungsstäbe war es zudem herausfordernd, die unzähligen Unterstützungsbegehren zu priorisieren und dafür zu sorgen, immer zum richtigen Zeitpunkt genügend Zivilschutzangehörige aufzubieten und an vielen Orten einzusetzen. Und beim Aufgebot galt es, die Balance zu finden zwischen den Bedürfnissen von systemrelevanten Betrieben und Arbeitgebern sowie jenen des Zivilschutzes. Das ist meines Erachtens gut gelungen.

Gerade als Milizorganisation und mit Blick auf die Durchhaltefähigkeit muss der Zivilschutz aber über ausreichende Bestände verfügen – in quantitativer wie qualitativer Hinsicht. Oder anders gesagt: Die aktuelle Pandemie hat klar aufgezeigt, dass der Zivilschutz für die Bewältigung solcher Krisen ein unabdingbares Mittel ist, dessen personelle Alimentierung wir zwingend und nachhaltig sichern müssen.


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