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«Sechs- und Siebentagewochen sind die Regel»

Die halbe Schweiz harrt zu Hause aus, um sich vor einer Coronavirus-Infektion zu schützen. Für die Verantwortlichen der kantonalen Krisen- und Führungsstäbe bedeutet die Pandemie dagegen, kaum Zeit für Privates und die eigene Familie zu haben. Christophe Bifrare, Chef des Freiburger Führungsstabs, gibt persönliche Einblicke in diese ausserordentliche Lage.

08.05.2020 | Kommunikation BABS

Christophe Bifrare ist seit Anfang Jahr Vorsteher des Amtes für Bevölkerungsschutz und Militär (ABSM) und des Führungsstabs des Kantons Freiburg. Kein leichter Start, der 46-Jährige sagt aber, er fühle sich wie ein Fisch im Wasser.

Mitte März wurde das gewohnte Leben plötzlich gestoppt: Der Bundesrat wies die Bevölkerung an, sich vor einer Corona-Infektion zu schützen, und forderte sie auf, möglichst zu Hause auszuharren. Doch das betraf nicht die ganze Schweiz: Die Verantwortlichen bei Bund und Kantonen müssen nun nämlich das Pandemie-Notrecht beinahe rund um die Uhr koordinieren, kontrollieren und aktualisieren. Für das gewohnte Leben finden einige kaum mehr Zeit. Bundesrat Alain Berset blieb seiner Familie beispielsweise 46 Tage fern. Und auch Christophe Bifrare, der den kantonalen Führungsstab in Freiburg leitet, geht nur noch selten nach Hause: «Sechs- und Siebentage-Wochen sind die Regel.»

Anfang Mai verbrachte er endlich zwei Tage aneinander mit Frau und Kindern. Den «Virus» abschütteln, gelingt derzeit auch im Privaten kaum: «Wir haben uns unterhalten, ob und ab wann die Kinder die Krippe wieder besuchen sollen.» Zeit zum Abschalten und Verschnaufen oder Gespräche über andere Themen gab es trotzdem. «Mein Vater ist Landwirt mit Leib und Seele; das äusserst trockene Wetter kümmert ihn fast noch mehr als seine eigene Gesundheit.»

Arbeit nicht alleine machen

Der 46-jährige Bauernsohn Bifrare weiss, dass man gegen das Wetter und die Natur nicht ankommt. Dennoch hat er sich nun an vorderster Stelle gegen den Virus zu stemmen. Er ist erst seit wenigen Monaten Leiter des Amts für Bevölkerungsschutz und Militär und jetzt unvermittelt ein pausenloser Krisenmanager. Ist das kein Sprung ins kalte Wasser? Er selbst bezeichnet sich als «erfahren und resistent im Umgang mit kritischen Situationen».

Als ausgebildeter Berufsoffizier und vormaliger Chef der kantonalen Zivilschutzorganisation fühlt er sich deshalb «wie ein Fisch im Wasser, aber einer unter vielen». Denn bei dieser Arbeit fühlt er sich nicht alleine. «Ich tausche mich täglich mit vielen Personen aus und spreche mich mit Verantwortungsträgern ab.» Ein Vorteil aus seiner früheren Zivilschutzarbeit ist: Die meisten kennt er bereits bestens. Christoph Bifrare pflegt nicht nur mit dem Stellvertreter bei diesem Einsatz, dem Freiburger Polizeikommandanten, ein kameradschaftliches Verhältnis.

Das übliche Pendeln zwischen Arbeit und Familie vermisst er zwar; doch jetzt würde dies auch wertvolle Zeit zum Nachdenken kosten. Jeweils abends trifft sich die Kommandospitze noch in der Polizeikantine zum Kaffee. «Das hektische Tagesgeschehen können wir bei solchen lockeren Treffen besser analysieren.» Und das Besondere an dieser Notlage sei, wie eigentlich alle Personen und Lebensbereiche betroffen sind. Die Arbeit des Führungsorgans stosse daher auf hohe Akzeptanz und finde sofort Gehör. «Das habe ich bei kleineren Ereignissen schon anders erlebt.»

Bislang ist die Freiburger Krisenarbeit in der Öffentlichkeit gut aufgenommen worden.

Ungewohnt offene Einblicke

Bislang ist die Krisenarbeit in Freiburg auf keine öffentliche Kritik gestossen. Dass sich dies in der Nachbetrachtung ändern wird, sei generell zu erwarten, sagt Bifrare. «Im Nachhinein ist man immer klüger.» Trotzdem dürfe er sich nicht verstecken. «Ich muss mich der Bevölkerung gegenüber zu erkennen geben und vertrauensvoll auftreten.» Ein Beweis für diese Offenheit findet sich in den deutsch- und französischsprachigen Regionalzeitungen. Beide veröffentlichten ein informatives und ungewohnt persönliches Portrait über den Stabschef.

Er habe sein theoretisches Rüstzeug an der Militärakademie der ETH Zürich gesammelt; ungemütliche, unsichere Situationen kenne er aus militärischen Auslandeinsätzen. Und «Nachtflug» von Antoine de Saint-Exupéry sei seine Lieblingslektüre.

Der Vergleich zwischen seinem Job und dem eines Piloten im Blindflug liegt auf der Hand: «Ich muss trotz vieler Unklarheiten und steter Ungewissheiten entscheiden. Da hilft nur, jeweils weit voraus zu schauen.» Antizipieren hält er deshalb als wesentliches Talent zum Krisenmanagement. Doch aufgepasst: Ein gedanklicher Vorsprung kann schnell dazu führen, dass sich die übrigen Beteiligten aus Politik und Verwaltung abgehängt fühlen. «Deshalb ist auch Kommunikation wichtig, um alle ins Boot zu holen.»

Vom Eiltempo zum Abwägungsprozess

Die ganze Schweiz hat den ersten Infektionspeak hinter sich und freut sich bereits auf die angekündigten Lockerungsetappen. Das wirkt sich auf die Führungsarbeit aus: «Zu Beginn haben wir im Eiltempo und dennoch einhellig entschieden. Jetzt müssen wir länger und ausführlicher abwägen.» Bei der Rückkehr zum Alltag gelte es unterschiedliche Optionen zu prüfen und allfällige Kontroversen auszudiskutieren. Der Bedarf an Austausch steigt und «die Politik muss wieder eine grössere Rolle spiele», ist sich der Leiter des Führungsstabs bewusst. Den starken Support aus politischen Kreisen zählt er zu den positivsten Eindrücken der bisherigen Krisenarbeit.

Nach der kurzen Rückschau blickt Christophe Bifrare aber nach vorne: Zu organisieren ist insbesondere die baldige Übergabe der Aufgaben an das ordentliche Verwaltungsregime. Doch beschäftigen ihn dabei nicht nur strukturelle und organisatorische Fragen. Ebenso denkt er bereits an sein eigenes Zurück in den geordneten Alltag. Aus früherer Erfahrung weiss der Leiter des Freiburger Führungsstabs, dass der Wechsel von einer derart ereignisreichen Zeit in den gewohnten Tritt auch persönlich zu verarbeiten ist.


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