Ein Liftboy für Spitalbetten
In Frauenfeld steht das grösste provisorische Covid19-Zentrum der Schweiz bereit. Beim Aufbau arbeiteten das Spital und die regionale Zivilschutzorganisation Hand in Hand.
03.04.2020 | Kommunikation BABS

Der Umbau von Spitälern ist eine langwierige und oft unvorhersehbare Aufgabe. Der Ausbau des Zürcher Triemlispitals konnte zwar vor vier Jahren abgeschlossen werden. Doch das ehemalige Bettenhaus wird – entgegen der ursprünglichen Pläne – weiter benutzt; ein Abriss musste aus Kostengründen aufgeschoben werden. Auch am Kantonsspital in Frauenfeld gab es eine Planänderung, die allerdings zur willkommenen Linderung für die aktuelle Notlage wird. Der Kantonale Führungsstab des Kantons Thurgau hat Mitte März entschieden, das zum Abbruch freigegebene Bettenhochhaus wiederzubeleben und zu einem temporären, medizinischen Covid19-Zentrum umzurüsten. Bis eben brauchte es den zwölfstöckigen Betonblock und seine rund 200 Bettenzimmer nicht mehr; das Kantonsspital hat den vergrösserten Erweiterungs- und Ersatzbau bereits Anfang Jahr bezogen.
Genügend Plätze in Spitälern sicherzustellen, ist ein dringendes Anliegen für die aktuelle Notfallorganisation im Gesundheitswesen. Das Bettenhochhaus in Frauenfeld wurde deshalb schon früh als mögliche Reservestation in die Krisenplanung im Kanton Thurgau aufgenommen. Nun wird die leerstehende und eingerüstete Immobilie nicht weiter ausgeräumt, sondern wieder zu einer Pflegestation hergerichtet. Noch vor Ostern sollen bis zu 200 Betten bereitstehen, um Patienten aufzunehmen. Das Spital ist dabei auf die aktive Mithilfe von Krisen- und Schutzorganisationen angewiesen: «Armee und Zivilschutz liefern die Infrastruktur und übernehmen das Einrichten der Zimmer», teilte Regierungsrätin Cornelia Komposch, Chefin des Kantonalen Führungsstabs Thurgau, an einer Medienkonferenz mit.
Abstandsregeln beachtet
Markus Bürgi, Abteilungsleiter Zivilschutz im Amt für Bevölkerungsschutz und Armee des Kantons Thurgau, präzisiert, wie das konkret vonstattenging: Angehörige der regionalen Zivilschutzorganisation Frauenfeld wurden aufgeboten, um den Zutritt vor Ort zu kontrollieren oder das leere Hochhaus mit IT-Gerätschaften und Betten zu füllen. Gemäss Kommandant Max Steiner waren 34 Angehörige eine Woche lang in normalen Tagesschichten damit beschäftigt, Betten vom Zwischenlager der Armee abzuholen und in den dafür vorbereiteten Stockwerken zu platzieren. «Das Beachten der Abstandsregeln machte die Einrichtungsaktion etwas schwieriger», sagt der ZSO-Kommandant.
Zum einen mussten alle Schutzausrüstung – Handschuhe und Gesichtsmasken – tragen. Zum anderen waren räumlich enge Situationen zu vermeiden. «Um uns selbst zu schützen, haben wir uns in feste Gruppen aufgeteilt», so Steiner. Die erste Einheit organisierte das Entladen der Lastwagen; die zweite war für das Verteilen der Betten auf den Etagen zuständig. Und als Bindeglied wurde ein ZS-Angehöriger als Liftboy abkommandiert, so dass im Aufzug nur jeweils eine Person anwesend war.
«Die Leute waren sehr motiviert und sind gesund geblieben», lobt Kommandant Steiner den Einsatz der Angehörigen, die inzwischen wieder aus ihrem Dienst entlassen wurden. «In der aktuellen Lage stossen unsere Aufgebote auf grosse Akzeptanz». Die weit geringere Zahl an Absagen als üblich sei sehr erfreulich, so Steiner. Sobald der Betrieb des Covid19-Zentrums jedoch weiterer Unterstützung bedarf, bietet das Kommando der Zivilschutzregion Frauenfeld ihre Leute abermals auf. Absehbar seien etwa Einsätze von Spezialisten aus dem Pionier- und Betreuungsbereiche. Seine Zivilschutzorganisation befindet sich aktuell in Standby-Funktion; vorerst sind wieder die Profis gefragt: Die Mitarbeiter des Spitals sind nun daran, die Einrichtung des Frauenfelder Bettenhochhauses medizinisch zu vervollständigen.
Medizinisches Personal gesucht
Wie sich das Gesundheitswesen aktuell behelfen muss, führt Marc Kohler, CEO der Spital Thurgau AG, aus: «Bei Material und Personal leiden wir unter Engpässen.» Eigene Reserven oder ein Neuverteilen der Bestände müssten derzeit bei vielem ausreichen. «Die Suche nach zusätzlichen, medizinisch qualifizierten Fachpersonen läuft parallel dazu auf Hochtouren», ergänzt Spitaldirektor Kohler. Doch Sorge um eine ungenügende Betreuung muss sich im Thurgau niemand machen. So hat sich der Kantonale Führungsstab in Absprache mit der kantonalen Spitalorganisation bereit erklärt, zwei Covid19-Patienten aus dem Elsass aufzunehmen. Die Verwaltung der vom Virus stark betroffenen, französischen Grenzregion hat den Bund um solche Hilfeleistungen angefragt. Einer der beiden Patienten wird nun im Spital Frauenfeld intensivmedizinisch gepflegt.
Das Covid19-Zentrum selbst wird aber nicht zu einer temporären Intensivstation, sondern dient zur Entlastung. «Die 200 Betten sind so lang wie möglich ein Überlauf» und primär für die Behandlung von Nicht-Covid19-Patienten eingeplant, so CEO Kohler. Die Covid19-Patienten werden derweil im neuen, «normalen und besser eingerichteten Spital» behandelt und von einem gut eingespielten Pflegeteam betreut. Dadurch lasse sich auch deren Konzentration sicherstellen. Denn die Trennung der Corona-Infizierten von Nicht-Infizierten ist eine der wichtigsten Schutzmassnahmen im Spital, damit sich die Ausbreitung des Virus verlangsamen kann.
Der Thurgau selbst ist im Vergleich aller Schweizer Kantone wenig betroffen und meldete per 31. März 2020 154 bestätigte Infektionsfälle. Nur Schaffhausen zählt, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, weniger vom Corona-Virus infizierte Personen.