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Veröffentlicht am 27. Oktober 2025

Beitritt der Schweiz zum EU-Katastrophenschutzverfahren (Union Civil Protection Mechanism UCPM)

Katastrophen und Notfälle kennen keine politischen oder geografischen Grenzen. Extremereignisse wie Erdbeben, Pandemien, ein KKW-Störfall oder Waldbrände haben zunehmend grenzüberschreitende Auswirkungen und können die nationalen Einsatzkapazitäten schnell überfordern

Projektstand und Ausblick (per 31.08.2025)

Rückblick

Die Schweiz und die Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (Directorate-General for European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations DG ECHO) haben beschlossen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken und 2017 eine Verwaltungsvereinbarung (VV) unterzeichnet, um wirksamer auf Notfälle in Europa und weltweit reagieren zu können. Die Verwaltungsvereinbarung erleichtert den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren im Bereich der Katastrophenprävention und der Reaktionsmechanismen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU).

Seit 2017 hat sich die Zusammenarbeit kontinuierlich verstärkt: Die Schweizer Interventionszentren und das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre ERCC) tauschen regelmäßig Informationen aus, Vertreter der GD ECHO nehmen an von der Schweiz organisierten Veranstaltungen und Schulungen teil (zuletzt an der Global Emergency Exercise 2022, GNU22 oder der Schulung „Crisis Management in the 21st Century 2024“) und auch die Zusammenarbeit im Bereich der humanitären Hilfe funktioniert.

Um die Zusammenarbeit weiter zu verstärken, zeigt die Schweiz ein klares Interesse am Beitritt zum UCPM. Am 26. September 2024 beauftragte das Parlament den Bundesrat, einen Antrag auf Beitritt zum UCPM zu stellen (Motion Matter). Diese Absicht wird auch vom Europäischen Parlament unterstützt, wie es im Bericht über die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz vom 4. Oktober 2023 heisst. Da die Schweiz über viele hervorragende Experten und Spezialisten in allen Bereichen der Ereignisvorbereitung, des Notfallmanagements und der humanitären Hilfe verfügt, wäre eine Schweizer Beteiligung an der UCPM auch für die EU von Vorteil.

Die Schweiz ist jedoch nicht Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), deshalb ist eine Beteiligung an der UCPM gemäss Art. 28a des EU-Beschlusses 1313 zur UCPM nicht möglich. Die Rechtsdienste der Schweiz und des UCPM klärten 2023 ab, dass die Schweiz dem UCPM entweder per Staatsvertrag (komplizierter und langwieriger Prozess, kein Land hat einen Staatsvertrag) oder durch eine Anpassung von Art. 28 des Beschlusses 1313/2013/EU (pragmatische Lösung) beitreten könnte. Eine Anpassung, etwa durch Anerkennung der EFTA-Mitgliedschaft, findet Unterstützung bei mehreren EU-Nachbarstaaten. Dahingehende 2/4 wurden 2024/25 Gespräche mit Deutschland, Frankreich Italien und Österreich geführt. Liechtenstein zeigt ebenfalls Interesse am Vorhaben.

Um das Interesse der Schweiz am Katastrophenschutzmechanismus der Europäischen Union zu unterstreichen, hat sich das BABS (in der Übungsleitung) und die DEZA/HH mit Modulen der Rettungskette an der Full-Scale-Übung Magnitude in Baden-Württemberg 2024 beteiligt. Der Schlussbericht und der Abschluss des Projektes Ende 2025 geplant.

Im Februar 2025 besuchten EDA/BABS die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (DG ECHO) in Brüssel, um nach den Neuwahlen im Herbst 2024 den neuen Verantwortlichen im EU-Katastrophenschutzmechanismus das Anliegen der Schweiz aufzuzeigen. Im April 2025 war eine Delegation der DG-ECHO, unter der Leitung von Hanna Jahns (Direktorin Strategy and Policy) im BABS, um Varianten der Beteiligung der Schweiz am UCPM zu besprechen. Eine Einladung der DG-ECHO nach Brüssel wurde für 2026 ausgesprochen.

Ausblick

Es ist vorgesehen, dem Bundesrat Ende August 2025 ein Aussprachepapier zum weiteren Vorgehen des Beitritts zum EU-Katastrophenschutzverfahren vorzulegen.

Diesbezüglich hat die Europäische Kommission am 16. Juli 2025 im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens 2028-2034 einen Vorschlag an das Europäische Parlament sowie den Rat zur Anpassung von Beschluss Nr. 1313/2013/EU überwiesen. Demnach soll die Teilnahme am UCPM gemäss dem neu vorgeschlagenen Art. 9 Abs. 1 Bst. (d) auch «anderen Drittstaaten» offenstehen. Somit könnte eine neue Rechtsgrundlage für die Teilnahme der Schweiz am UCPM geschaffen werden. Es bleibt die Beratung dieses Vorschlags im Europäischen Parlament sowie im Rat abzuwarten

Aktuelle Herausforderungen

Um das Interesse der Schweiz an der UCPM weiter aufzuzeigen, richtet die Schweiz vom 6.-9. Oktober 2026 eine EU-Übung MODEX in Epeisses im Kanton Genf und in Payerne im Kanton Waadt aus. Es ist die erste Übung, in der Hilfe aus dem Ausland in der Schweiz zum Einsatz gelangt. Die Vorbereitungsarbeiten mit den Verantwortlichen der EU, BABS-intern, weiteren Bundesstellen, der Armee und den Kantonen, insbeson-dere dem Kanton Genf und dem Kanton Waadt, laufen.

Rolle Bund

Die Schweiz (Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bun-desamt für Gesundheit BAG, Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit / Humanitäre Hilfe DEZA / HH, um nur einige der vielen interessierten Ämter zu nennen) profitiert bei einem Beitritt von der multilateralen Zusammenarbeit, den Einsatzerfahrungen ("Lessons Learned, Best Practices"...), der Entwicklung von Lösungen wie zum Beispiel dem frühzeitigen Erkennen von Trends in der Prävention und der Vorsorge, der Weiterentwicklung technischer Einsatzsysteme, der Teilnahme an Übungen oder dem Erkennen eigener Lücken. Dies führt zu einer Verbesserung und Stärkung des inländischen Katastrophenschutzes. Zudem werden Einsätze von zertifizierten Modulen mit durchschnittlich 80% der Kosten rückerstattet.

Rolle Kantone

Die Kantone profitieren vom UCPM sowohl in der Vorbereitung als auch im Ereignisfall. Vorteile sind der Einsatz zertifizierter Module, die Entsendung von Personal in EU-Missionen, Praxiserfahrung, Ausbildung und internationale Übungen im In- und Ausland (nicht abschliessend). Zertifizierte Module können einen Anstoss für die künftige Ausrichtung der interkantonalen Hilfe während Ereignissen in der Schweiz sein.

Projektdaten

Projektverantwortung

Dr. Roland Bollin, Leiter Geschäftsstelle Internationales BABS, Nationale Alarmzentrale NAZ und Er-eignisbewältigung NEOC.

Projektdauer

Abklärungen und Vorbereitungen sind am Laufen. Weitere Schritte können erste folgen wenns die EU die neuen Rechtsgrundlagen angepasst hat.

Politische Entscheide (geplant)

Im Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 19.3715 von Siebenthal vom 20.06.2019, Strategie zur Waldbrandprävention und -bekämpfung wird auf die Forderung die Mittel zur Waldbrandbekämpfung eingegangen, das UCPM zu prüfen.

Der Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 unterstreicht die Notwendigkeit, die internationale Zusammenarbeit im Sicherheitsbe-reich zu intensivieren und konsequenter auf Kooperation mit Partnern auszurichten, unter anderem mit dem UCPM.

Das Schweizer Parlament hat am 26. September 2023 die Motion 22.3904 Matter Michel vom 12.09.2022 «Für einen Beitritt der Schweiz zum EU-Katastrophenschutzverfahren» angenommen. Somit wurde der Bundesrat beauftragt, den Beitritt zum EU-Katastrophenschutzverfahren umgehend zu erwirken.

Investitionen

Als Mitglied des UCPM müsste die Schweiz einen jährlichen finanziellen Beitrag leisten. Dieser ist variabel und berechnet sich aus dem Brutto-Inland-Produkt (BIP) der Schweiz im Verhältnis zum BIP sämtlicher Mitgliedstaaten. Die Gebühr beträgt voraussichtlich rund 10 Mio. Franken pro Jahr.

Finanzressourcen Bund

Durchschnittlich 10 Mio. Franken pro Jahr. Aktualisierte Berechnungen der ETHZ und der EU 2025 bestätigen die Berechnungen aus der Studie «An Evaluation of Switzerland becoming a Participating State of the European Union Civil Protection Mechanism» 2021.

Einsätze zu Gunsten des UCPM werden zu durchschnittlich 80% rückfinanziert.

Finanzressourcen Kantone

Freiwillig: Finanzierung von Ressourcen im Sinn von zertifizierten Einsatzmodulen des UCPM. Könnte ein Beitrag zu interkantonalen Einsatzmittel sein.

Einsätze von zertifizierten Modulen zu Gunsten des UCPM werden zu durchschnittlich 75 % (bis max. 90%).

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