Auf dem Übungsgelände der ZSO Zug
Das Ausbildungszentrum Schönau in Cham ist Stützpunkt der Zivilschutzorganisation des Kantons Zug und verfügt über ein umfassendes Übungsgelände, auf welchem verschiedenste Szenarien unter realitätsnahen Bedingungen geprobt werden können. Das BABS hatte die Gelegenheit, das Gelände während eines Wiederholungskurses zu besichtigen.
Unweit des Ortszentrums von Cham befindet sich, an der Lorze gelegen, das Ausbildungszentrum Schönau (AZS), in dem die Zivilschutzorganisation des Kantons Zug (ZSO ZG) stationiert ist und Grundausbildungen und Kaderkurse, in Zusammenarbeit mit den Kantonen der Arbeitsgemeinschaft Innerschweiz, sowie Wiederholungskurse, Weiterbildungskurse und Zusatzausbildungen für die eigenen Mannschafts- und Kaderfunktionen durchführt. Direkt hinter dem Hauptgebäude, welches unter anderem über Büros, Unterrichtsräume und ein Restaurant verfügt, erstreckt sich das Übungsgelände des AZS. Dies alles wurde in den frühen 1980er-Jahren errichtet und im Jahr 1996 gemeinsam von der ZSO ZG und der Zuger Gebäudeversicherung ausgebaut und an die Bedürfnisse von Zivilschutz und Feuerwehr angepasst. Im Jahr 2023 wurde die neue Trümmerpiste des Geländes, die den heutigen Ansprüchen an die Ausbildung und die Sicherheit entspricht, eingeweiht.
Bei der Planung und Durchführung der Wiederholungskurse der Schutzdienstleistenden setzt die ZSO ZG auf Regelmässigkeit und Realismus. Die Kurse im AZS sind so zwar von kürzerer Dauer, finden dafür aber öfter statt. Gemäss dem Kdt der ZSO ZG, Oberstlt Benno Blattmann, hat sich das Konzept mit repetitivem Ansatz bewährt. Der grosse Vorteil dabei sei, dass die Schutzdienstleistenden durch die höhere Frequenz der Kurse die Möglichkeit haben, die verschiedenen Abläufe öfter zu trainieren und damit auch mit dem Einsatzmaterial vertrauter zu werden. Gerade bei Schutzdienstleistenden, welche sonst in Büros arbeiten oder noch im Studium sind, sei es wichtig, dass sie die Handhabung von auch schwerem Gerät, regelmässig üben können.
Mitarbeitende des BABS waren von der ZSO ZG eingeladen worden, eine Pionierkompanie im Wiederholungskurs zu besuchen. Pioniere kommen im Zivilschutz vor allem bei der Bewältigung von Naturereignissen zum Einsatz. Sie arbeiten mit verschiedenen Gerätschaften, um beispielsweise Wege freizuräumen, Gebäudeteile zu stabilisieren oder Personen aus Trümmerlagen zu retten. Nach einer kurzen Einführung durch den Kdt der ZSO ZG, Oberstleutnant Benno Blattmann, und dem Fassen der Sicherheitshelme geht es hinaus auf das Übungsgelände.
Die erste und visuell wohl beeindruckendste Station ist die neue Trümmerpiste, auf welcher die Schutzdienstleistenden der ZSO ZG das Orten und Retten von verschütteten Personen unter realen Bedingungen üben können. Mit den verschiedenen Beton-, Schutt- und Geröllelementen lassen sich Situationen darstellen, auf welche man an Einsatzorten im Ernstfall trifft. Im Rahmen ihrer Einsätze konzentriert sich die ZSO ZG innerhalb des Kantons Zug vor allem auf Trümmersituationen an einer Schadenstelle, wie zum Beispiel nach Erdrutschen, Gasexplosionen, Einsturz von Baugruben etc. Gemäss dem Instruktor im Fachbereich Pionier, Hauptmann Tobias Lussi, der die stattfindende Übungseinheit auf der Trümmerpiste beaufsichtigt, werden für die Rolle der verschütteten Person entweder echte Statisten, welche in einem der sich unter den Trümmern befindlichen Hohlräume auf ihre Rettung warten, oder künstliche Statisten in Form von Puppen eingesetzt. Letztere sind mit einem Sensor ausgestattet, welcher ab einer gewissen Lautstärke reagiert und Hilferufe simuliert.
Die Übung selbst beginnt mit der Lokalisierung der verschütteten Person. Dabei kommen verschiedene Techniken wie etwa die im «Handbuch Pionier» des BABS unter «Orten und Retten in Trümmerlagen» beschriebene Klopf-Ruf-Horch-Methode zum Einsatz. Ohne technische Hilfsmittel wird bei dieser Methode versucht, durch Schlagen auf die Trümmer oder durch Rufen eine Reaktion einer verschütteten Person zu provozieren. In einer anderen Technik wird mit einer Kamera gearbeitet, die mit Licht, Mikrofon und Lautsprechern ausgestattet ist und im Optimalfall von zwei Personen bedient wird. Eine Person führt die Kamera durch eine mittels Kernbohrung erstellte, kleine Öffnung, während die andere via Empfänger und Kopfhörer nach Personen sucht respektive horcht. Über die Lautsprecher kann auch versucht werden, die Verschütteten anzusprechen. Falls die Öffnungen zwischen den Trümmern sehr eng sind, wird mit noch kleineren und flexibleren Inspektionskameras gearbeitet. Im Führungsstandort, unweit der Trümmerpiste wird währenddessen auf einer Karte genau festgehalten, welche Zonen bereits abgesucht worden sind. Auf der Piste selbst markieren die Absolventen des Wiederholungskurses die Bereiche pragmatisch mit Verkehrshütchen und/oder mit Markierungsspray.
Sobald eine verschüttete Person lokalisiert worden ist, beginnt mit den Arbeiten zu deren Rettung die Phase zwei der Übung. Das primäre Ziel ist, zunächst einen sicheren Zugang zu der verschütteten Person zu legen, durch welchen sie anschliessend evakuiert werden kann. Mit der Ringsäge oder der Betonkettensäge wird dazu eine grössere Öffnung in die Betonmauer geschnitten. Die richtige Handhabung der Säge und Technik sei entscheidend, um so effizient und sicher wie möglich arbeiten zu können, ohne dabei Personen zu gefährden oder das Equipment zu beschädigen, ergänzt Benno Blattmann.
Da zwischen der verschütteten Person und den Rettungskräften verschiedenste Materialien wie etwa Holz, Metall oder Beton sowie Gegenstände (Teppiche, Matratzen etc.) liegen können, sind eine genaue Planung und Auswahl von geeigneter Ausrüstung erforderlich. Auch solche Situationen lassen sich auf der Trümmerpiste simulieren mittels eines Betonrohrs, durch welches verschiedene Hindernisse wie etwa Holzbalken oder Metallstäbe hindurchgeschoben werden können. Tobias Lussi meint, dass sich die Arbeit auf solch engem Raum sowohl körperlich als auch mental sehr anstrengend gestalte, gerade aber deshalb den Bedingungen entspreche, die man an Einsatzorten antreffen könne. Ist der sichere Zugang zur verschütteten Person gelegt, kann diese gerettet und damit die Übung auf der Trümmerpiste abgeschlossen werden.
Nach der Trümmerpiste erwarten die BABS-Mitarbeitenden weitere, zum Teil nicht auf den ersten Blick als Übungsstationen erkennbare Bauten und Installationen des AZS. Über eine Treppe führt der stellvertretende Kommandant der ZSO ZG und Ausbildungschef, Major Claudio Wiederkehr, die Besuchergruppe hinab ins Untergeschoss, welches aus verschiedenen Gängen und Räumen besteht und sich direkt unter dem Übungsplatz befindet. Dort können Einsätze in Kellern oder sonstigen engen und dunklen Umgebungen in verschiedenen Situationen simuliert werden. Sobald das Licht ausgeschaltet wird, ist es stockdunkel. Zudem können die Layouts der verschiedenen Räume mittels Holztafeln nach Belieben verändert werden und das ganze Areal kann auf eine Höhe von bis zu 90 cm mit Wasser geflutet werden. Somit fällt jede Übungseinheit im Untergeschoss etwas anders aus und entspricht den schwierigen Bedingungen an gewissen Einsatzorten und nach unterschiedlichen Ereignissen wie beispielsweise nach einem Unwetter, welches nebst Überschwemmungen auch Stromausfälle mit sich ziehen kann. Eine nachgestellte Tiefgarage inklusive Auto, in welcher Brandsituationen mit künstlichem Rauch simuliert werden können sowie ein Liftschacht bieten die Möglichkeit, Seiltechniken zu trainieren.
Eine weitere visuell eher auffällige Station des Übungsgeländes ist ein Gebäude, welches sich in einer Schräglage von ungefähr 30° befindet. Wie Benno Blattmann erklärt, führe im Gebäudeinnern der plötzliche Widerspruch zwischen der optischen Wahrnehmung des Raums und dem eigenen Gleichgewichtsinn zu einer gewissen Orientierungslosigkeit und könne bei manchen sogar Schwindel und Übelkeit hervorrufen. Insbesondere bei Trümmerlagen ist es möglich, dass Bauwerke nicht einstürzen, sich aber in eine Schräglage begeben. Daher müssen Abläufe wie Durchbrüche oder Rettungen auch unter solchen Konditionen geübt werden können.
Bei ihrem Material setzt die ZSO ZG auf ein modulares System, bestehend aus verschiedenen Anhängern, deren Inventare den individuellen Bedürfnissen der Truppengattungen angepasst sind. Dies gewährt einerseits eine höhere Effizienz beim Transport der Ausrüstung, da jede Truppe über ihren spezifischen Anhänger verfügt und Fahrzeuge daher nicht zuerst beladen werden müssen oder Material mit sich führen, welches schlussendlich gar nicht benötigt wird. Andererseits braucht es für den Transport der Anhänger keine grossen Einsatzfahrzeuge, was die Manövrierfähigkeit und auch den Zugang zu für grosse Transporter schwer erreichbaren Einsatzorten vereinfacht. Tobias Lussi erklärt, dass das Einsatzmaterial in den verschiedenen Anhängern zudem farblich codiert und auf den Inventarlisten dokumentiert sei. Die Truppengattungen wissen somit genau, mit welchem Equipment sie arbeiten und können dieses bei einem Einsatz innert kürzester Zeit von ihrem Anhänger an den jeweiligen Einsatzort bringen.
Ein zentraler Bestandteil der Anhänger und somit auch des Einsatzmaterials der Pioniere ist das modulare Urban-Search-and-Rescue-Rettungsunterstützsystem. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Auswahl von rohrartigen Elementen verschiedener Länge, welche einfach und schnell zu Stützsystemen zusammengebaut werden können, um beispielsweise Mauern zu stabilisieren. Das System umfasst zudem ein Bluetooth-fähiges Element, welches konstant die Belastung misst, der die jeweilige Konstruktion ausgesetzt ist. Im Fall einer zu hohen Gewichtsbelastung oder von seismischen Aktivitäten in Form von Nachbeben bei einer Erdbebensituation schlägt das Gerät Alarm, damit die Sicherheit der Einsatzkräfte und der Opfer vor Ort so gut wie möglich gewährleistet werden kann. Laut Claudio Wiederkehr ist ein weiterer Vorteil des Systems, dass dieses simpel mit Holz erweitert werden kann und dadurch sehr flexibel ist. Den Einsatzkräften ist es so möglich, auch grössere Flächen mit relativ kostengünstigem Material abzudecken.
Auf ihrem Übungsgelände stehen der ZSO ZG eine freistehende Betonwand, an welcher die Teilnehmer des Wiederholungskurses das System am Tag des Besuchs angebracht haben, und eine weitere Betonwand, welche sich bei Bedarf neigen lässt, um das System verschiedenen Kräften auszusetzen, zur Verfügung.
Die BABS-Mitarbeitenden konnten sich während des interessanten Besuches davon überzeugen, dass die ZSO ZG mit ihrem ausgedehnten Übungsgelände, dem modulbasierten Konzept für das Einsatzmaterial und auf Regelmässigkeit und Realismus basierenden Ansatz für die Durchführung von Wiederholungskursen über optimale Bedingungen verfügt, um ihre Schutzdienstleistenden bestmöglich auf eine Vielzahl verschiedener Einsätze vorzubereiten.




